Mitten im Koreakrieg in den frühen 1950er Jahren wurde Pastor Everett Swanson von der schrecklichen Not koreanischer Waisenkinder aufgerüttelt. Sie erfroren in der Nacht auf den Strassen und Swanson beobachtete, wie Soldaten die leblosen Körper am Morgen einsammelten, um sie zu begraben.
Während auf dem Heimflug das Brummen der Flugzeugmotoren in seine Ohren drang, fragte er sich: „Was wirst du dagegen tun?“
1952 gründete Pastor Swanson Compassion International. Mittlerweile ist die Organisation in 27 Ländern des globalen Südens aktiv. Patinnen und Paten leben auf der ganzen Welt, im Süden und im globalen Norden. Seit 2003 gibt es Compassion auch in der Schweiz, von wo mittlerweile über 13 000 Kinder durch eine Patenschaft unterstützt werden.
Pastor Everett Swanson mit Sim, einem kleinen Mädchen in Südkorea.
Von Anfang an war die Mission klar: Ein Kind – und dann noch eins, und noch eins, und noch eins, bis jedes Kind aus der Armut befreit ist. Aus dieser tiefen Überzeugung, sich um ein einziges Kind zu kümmern, entstand das Eins-zu-eins-Kinderpatenschaftsmodell von Compassion. Wir bringen ein Kind, das in Armut lebt, mit einer Patin oder einem Paten zusammen, der sich verpflichtet, das Kind finanziell zu unterstützen, es in Briefen zu ermutigen und zu beten, während es heranwächst.
Es ist ein überzeugendes Modell mit einer inspirierenden Entstehungsgeschichte. Aber ist es heute, fast 70 Jahre nach der Gründung von Compassion, noch aktuell? Oder ist es an der Zeit, das Konzept der Kinderpatenschaft langsam aber sicher über Bord zu werfen?
Es wird dich wahrscheinlich nicht überraschen, dass wir hier bei Compassion sagen, dass Kinderpatenschaften relevanter sind als je zuvor. Wir sind überzeugt, dass eine Kinderpatenschaft eine lohnenswerte Investition ist, die effektiv, nachhaltig und engagiert ist – sogar in Krisenzeiten wie einer globalen Pandemie. Aber warum?
Die einfache Wahrheit ist, wenn es nicht funktionieren würde, würden wir es nicht tun.
2013 wurde eine unabhängige Untersuchung der Arbeit von Compassion veröffentlicht. Sie belegt „statistisch signifikante Auswirkungen auf die Patenkinder“, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, die Sekundarschule abzuschliessen, eine Anstellung zu finden und im Erwachsenenalter eine Führungsrolle in der Gesellschaft zu übernehmen.
„Wir glauben, dass die Patenschaft, zumindest im Compassion-Modell, nicht nur einige grundlegende Bildungs- und Gesundheitsbedürfnisse abdeckt, sondern durch das wöchentliche Unterrichtsprogramm und die geistliche Betreuung auch die Ambitionen der Patenkinder sehr erfolgreich steigert. … Kurz gesagt, es scheint so, dass Kinderpatenschaften funktionieren.“ (Paul Glewwe, Laine Rutledge und Bruce Wydick, Does child sponsorship pay off in adulthood?)
Was uns die unabhängige Forschung und die Lebensgeschichten ehemaliger Patenkindern sagen, ist, dass das Kinderpatenschaftsmodell von Compassion funktioniert.
Eine häufige Befürchtung bei Kinderpatenschaften ist, dass sie Opfer-Helfer-Gefälle fördern. In der internationalen Entwicklungszusammenarbeit ist dies immer ein Risiko, das wir ständig untersuchen und kritisch überprüfen müssen. Aber es ist auch wichtig zu wissen, dass es einen Schutz dagegen gibt, der direkt in das Modell von Compassion eingebaut ist: Unsere Partnerschaft mit lokalen Kirchen.
Eine lokale Compassion-Partnerkirche in Uganda.
Unser Ziel ist es immer, die Kirchen auszurüsten und zu befähigen, die Menschen in ihrem Umfeld zu erreichen und sich um Menschen zu kümmern, die in extremer Armut leben.
Das bedeutet, dass die Patenkinder nicht von Aussenstehenden betreut werden, sondern von lokalen Compassion-Mitarbeitenden, die oft ihre tatsächlichen Nachbarn sind. Das bedeutet, dass wenn wir uns an einem kurzfristigen Entwicklungsprojekt beteiligen wie z.B. dem Graben eines Brunnens, dies immer von unseren Partnerinnen und Partnern vor Ort veranlasst, geleitet und umgesetzt wird. Somit sind die Programme von Compassion immer an die lokalen Bedürfnisse und die Kultur angepasst. Die Kinder sehen ihre Paten als Partner im Kampf gegen die Armut. Sie empfinden sich nicht als Missions-Objekte, sondern sind selbst aktiv auf ihrem Weg aus der Armut.
Für uns ist eine Kinderpatenschaft keine Transaktion, sondern eine Transformation. Keine geschäftliche Angelegenheit, sondern Veränderung. Keine Einbahnstrasse, sondern etwas, das beide Seiten gleichermassen befähigt. “Mein Leben ist schöner, seit ich Patenkinder unterstütze!”, sagte uns Miranda aus Luzern.
Du denkst vielleicht, „eine Kinderpatenschaft ist eine lohnenswerte Investition – sie ist effektiv und befähigt Menschen. Aber es ist irgendwie einfach altmodisch. Es ist etwas, das meine Eltern getan haben.“
Nun, die Langlebigkeit unseres Kinderpatenschaftsmodells bedeutet nicht, dass es veraltet ist oder einfach nicht ersetzt wurde – tatsächlich ist unser globales Programmteam ständig am Lernen, Evaluieren und Anpassen unserer Programme, um in der heutigen Zeit in jedem Kontext, in dem wir arbeiten, am effektivsten zu sein. Unsere Programme wurden im Laufe unserer Geschichte immer wieder verändert und angepasst, um Kindern in Armut besser zu helfen und die grösstmögliche Wirkung zu erzielen. Die Kinder werden z.B. seit ein paar Jahren über die Schullaufbahn hinaus unterstützt, um ihnen eine berufliche Ausbildung oder ein Studium zu ermöglichen. Wir wissen, dass wenn sich das Leben von Kindern verändert, es auch ganze Familien und Gemeinschaften verändert.
Darüber hinaus ist die Kinderpatenschaft weiterhin eine überzeugende Möglichkeit, sich im Kampf gegen die Armut zu engagieren, weil sie auf Beziehungen aufbaut. In einer Welt, die zunehmend individualistischer wird, ist eine Patenschaft darauf ausgelegt, zwischen jeder einzelnen Patin und jedem einzelnen Paten und seinem Patenkind eine mögliche Beziehung und Kontakt zu bauen.
Die Kinderpatenschaft ist noch heute ein wunderbarer Weg, der Zerrissenheit unserer Welt mit der bewussten Entscheidung entgegenzutreten, dazu beizutragen, die Armut im Leben eines Kindes zu beenden.
Krisen und Katastrophen stellen unser Kinderpatenschaftsmodell immer wieder aufs Neue auf die Probe. Dazu gehören lokal begrenzte Krisen wie Choleraausbrüche, tropische Stürme und Dürren, aber auch Ereignisse wie das Erdbeben in Haiti 2010 und 2021, die weltweit Aufmerksamkeit erregten. In jüngster Zeit beschäftigt uns vor allem die Nahrungsmittelkrise, welche unterdessen an vielen Orten zu einem Dauerzustand der Ernährungsunsicherheit geworden ist. Aus diesen Erfahrungen wissen wir, dass lokale Partner einen grossen Vorteil bei der Reaktion auf Krisen und Katastrophen haben, weil sie die betroffenen Kinder und Familien persönlich kennen, lieben und sich um sie kümmern. Sie geniessen hohes Vertrauen in der Bevölkerung und durch die bestehenden Strukturen können wir rasch Nothilfe leisten.
Vitória, ein Patenkind in Brasilien, hält ein Hygiene-Set in der Hand, das sie bekommen hat.
In Krisen- und Katastrophenzeiten passen unsere Partnerkirchen ihre Programme zur Förderung von Kindern schnell den Umständen an. Während die Programme vorher auf die kognitive, sozio-emotionale, geistliche und körperliche Entwicklung der Kinder ausgerichtet waren, wird sofort Krisen- und Katastrophenhilfe geleistet, indem zum Beispiel Nahrungsmittelpakete und Hygiene-Sets an die Kinder und ihre Familien verteilt werden. Gleichzeitig werden neue Strategien und Technologien eingeführt, um unsere langfristige Investition in das Leben jedes Kindes fortzusetzen. Die Patenkinder und ihre Familien erhielten beispielsweise während der Corona-Pandemie Unterstützung für Fernunterricht, virtuelle Bibelstunden, Seelsorge oder Sensibilisierung zum Thema Kinderschutz (Missbrauch, häusliche Gewalt, Rechte von Kindern, Genitalverstümmelung, Kinderehe u.a.).
Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass die Kinder Krisen nicht nur überleben, sondern sich auch lange danach gut weiterentwickeln können.
Als Everett Swanson Compassion gründete, hatte er wahrscheinlich keine Ahnung, was über 70 Jahre später daraus entstehen würde. Im Jahr 2024 unterstützt Compassion mehr als 2,3 Millionen Kinder und ihren Familien in 29 Ländern auf der ganzen Welt. Südkorea, unser erstes Programmland und das Land, wo Pastor Swanson begann, Kinder aus Armut zu befreien, ist heute eines der grössten Geberländer und ein Ort, wo über 140‘000 Kinder durch Patenschaften unterstützt werden.
Millionen von Menschen haben sich nun Pastor Swanson angeschlossen, um auf die Frage zu antworten, die ihn auf dem Flug nach Hause beschäftigt hat: „Was wirst du dagegen tun?“ – Sie haben sich einer Bewegung der Barmherzigkeit angeschlossen und investieren langfristig in das Leben von Kindern, um sie in Jesu Namen aus Armut zu befreien.
Timon Friedli aus dem Emmental und sein Patenkind Ashley auf den Philippinen.
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