Sind Kinderpatenschaften ethisch? - Compassion Schweiz
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Sind Kinderpatenschaften ethisch?

18. Januar 2018

Das Kinderpatenschafts-Programm von Compassion ist wirkungsvoll – sehr sogar. Aber wie sieht es mit der Ethik aus?

 

“Bitte werden Sie nicht Pate dieses Kindes”

Folgendes Szenario: Sie wollen an ein Hilfswerk spenden und Kinder und Familien in Armut unterstützen. Sie googeln ein bisschen. Vielleicht wäre eine Kinderpatenschaft spannend? Also suchen Sie nach der besten Patenschaftsorganisation.

Und dann, hoppla! lesen Sie diesen Satz:

“Bitte werden Sie nicht Pate dieses Kindes. Kinderpatenschaften sind unethisch und führen zu Spaltungen in der Gesellschaft.“

Das ist ein krasser Satz. Er bringt Sie ins Grübeln. Sind Patenschaften wirklich ethisch bedenklich? Warum ist Compassion von ganzem Herzen überzeugt, dass Kinderpatenschaften eine gute Art sind, Kindern in Armut zu helfen?

Funktionieren Patenschaften?

Zwischen 2008 und 2011 hat eine Forschergruppe eine empirische Studie durchgeführt, um zu beurteilen, ob Kinderpatenschafts-Programme funktionieren.Compassion war als einziges der angefragten Hilfswerke bereit, das eigene Programm unter die Lupe nehmen und wissenschaftlich beurteilen zu lassen.  Dr. Wydick und sein Team interviewten 1860 ehemalige Compassion Patenkinder in Kenia, Indien, Bolivien, Guatemala, Uganda und auf den Philippinen. Die Ergebnisse dieser von USAID finanzierten Studie sprechen für sich selbst.

“Man kann es drehen und wenden, wie man will – die Daten zeigen einen sehr grossen und statistisch relevanten Einfluss auf die Ausbildung der Kinder“, erklärt Dr. Wydick.

Tatsächlich zeigt seine Studie, dass Patenkinder mit 27-40% höherer Wahrscheinlichkeit die Sekundarschule abschlossen und nach der Ausbildung mit 35% höherer Wahrscheinlichkeit feste Anstellungen bekamen.

Das Kinderpatenschaftsprogramm von Compassion funktioniert also – sehr gut sogar. Aber ist es auch ethisch?

Drei Kritikpunkte hören wir immer wieder:

 

1. Kritikpunkt: Sind Patenschaften selektiv und spalten die Gesellschaft?

In unserem Kinderpatenschafts-Programm geht es darum, für ein einzelnes Kind etwas zu bewirken. Darauf sind wir stolz. Es bedeutet, dass unser Marketing integer ist. Das Kind, das Sie unterstützen, erhält durch Ihre monatliche Unterstützung Gesundheitsversorgung, Bildung, Betreuung und Begleitung. Jedes Foto ist ein konkretes Kind, nicht nur ein Bild zu Marketingzwecken. Ein Kind, das dank Ihrer Unterstützung aufblüht. Weil wir uns auf einzelne Kinder konzentrieren, ist die Hilfe selektiv. Aber das ist Hilfe eigentlich immer! Jede Hilfsorganisation hat limitierte Ressourcen und muss entscheiden, wo sie die einsetzen will, egal ob es um Gemeindeprojekte, Kindesentwicklung oder Katastrophenhilfe geht. Compassions Ansatz ist, dass wir mit den Ärmsten im Einzugsgebiet unserer Partnerkirchen arbeiten.

Die lokale Gemeinde findet die bedürftigsten Kinder fürs Programm

Das Patenschaftsprogramm bieten wir ausschliesslich in Zusammenarbeit mit unseren lokalen Partnerkirchen in 25 Ländern an.

Das bedeutet, dass die Mitarbeitenden der Kinderzentren, die die Kinder im Programm einschreiben, die lokale Sprache, Kultur und ihre Nachbarschaft in- und auswendig kennen. Sie wissen, wer die Hilfe am meisten braucht.

Wenn wir von aussen auf eine Dorfgemeinschaft in Indonesien oder auf einen Slum in Nairobi schauen, denken wir: Die Menschen sind alle arm, wir müssen jedem Kind helfen! Doch unsere Gemeindepartner wissen, dass zum Beispiel eine Familie sich ein Motorrad leisten kann, dass aber eine andere Familie keines ihrer fünf Kinder zur Schule schickt.

Ist die Frage nach der Ethik vom Auswählen eine westliche Sorge?

Die Frage, ob es eine Gesellschaft nicht spaltet, wenn ein Kind einen Paten bekommt und ein anderes nicht, ist sehr vom westlichen Denken geprägt. In unserer Kultur gewichten wir Individualismus, Persönlichkeitsrechte und „Fairness“.

In vielen der Regionen, wo wir arbeiten, geht es aber vielmehr um die Gemeinschaft. Wenn ein Kind einen Paten findet, dann freut sich die ganze Familie, sogar die ganze Nachbarschaft. Wenn jemand neue Ressourcen erschliesst oder etwas Neues lernt, wird es mit allen geteilt.

Wir haben das mal einer Mutter in Ruanda erzählt, dass sich die Europäer Sorgen machen, durch Patenschaften könnte Neid entstehen. Sie lachte nur und sagte: “Ihr Westler! Ihr versteht nichts von Gemeinschaft. Meine Nachbarn freuten sich, als meine Tochter ins Patenschaftsprogramm aufgenommen wurde. Sie freuten sich für mich, aber auch, weil sie sich vorher um uns hatten kümmern müssen. Wenn ihr mir helft, helft ihr auch ihnen. So geht das.“

2. Kritikpunkt: Ist es ausbeuterisch, ein Kind für Fundraisingzwecke einzusetzen?

Gute Frage. Beuten wir sie aus, wenn wir Bilder von Kindern veröffentlichen, für die wir Paten suchen? Bei Compassion ist es uns wirklich wichtig, die Würde aller Kinder zu wahren. Das tun wir auch mit unseren Bildern. Die Bilder, die wir auf unserer Website und im Marketing verwenden, sind von individuellen Kindern, die im Patenschaftsprogramm registriert sind.

Die Eltern oder Sorgeberechtigten jedes Kindes werden darüber informiert, dass wir ihre Kinder fotografieren, und wozu wir die Bilder verwenden. Wir wollen aber nicht nur das Einverständnis der Eltern, wir wünschen uns, dass sich die Eltern freuen und stolz sind auf das Bild, das wir von ihrem Kind machen. Darum achten wir so sorgfältig darauf, die Würde jedes Kindes zu wahren und auch nicht allzu grosse Not abzubilden (keine so genannte Armuts-Pornografie).

 

3. Kritikpunkt: Fördern Patenschaften Bevormundung und Abhängigkeiten?

Oft wird auch gefragt, ob Patenschaften nicht bevormundend sind und auf Seiten der Kinder Abhängigkeiten schaffen.

Mit Bevormundung meint man eine Haltung von oben herab: Jene mit den Ressourcen wissen alles besser und entscheiden, was für jene mit weniger Ressource gut und angebracht ist, und stülpen ihnen ihre Ideen, Vorstellungen und Lösungsansätze über. Das kann in den Empfängern ein Gefühl der Hilflosigkeit erzeugen, was wiederum von den Gebern so wahrgenommen wird, dass die Empfänger wirklich hilflos seien. Das kann dann tragischerweise wirklich zu Abhängigkeiten führen anstatt zu Befähigung und Stärkung.

Unser partnerschaftliches Modell

Diese Bevormundung vermeiden wir dadurch, dass wir ausschliesslich mit lokalen Kirchen zusammenarbeiten. Wir suchen Partnerkirchen, die bereits eine ähnliche Vision wie wir haben – Gemeinden, die die Nöte ihrer Gemeinschaft kennen und sich bereits um bedürftige Kinder kümmern. Oft werden wir von Kirchen kontaktiert, die von unserem Patenschaftsprogramm gehört haben und denken, dass wir sie bei ihrem Dienst unterstützen könnten.

Freiheit, das Programm anzupassen

Zu ethisch vertretbarer Hilfe gehören auch gesunde partnerschaftliche Beziehungen. Es ist wichtig, dass die Landesbüros in unseren 25 Partnerländern die Freiheit haben, das Patenschaftsprogramm so zu kontextualisieren, dass es für die Kinder in ihren Gemeinschaften den grössten Nutzen bringt.

Es handelt sich hier um Freiheit in einem gegebenen Rahmen. Der Rahmen des Patenschaftsprogramms garantiert eine Beständigkeit und auch eine Sicherheit auf Seiten der Paten, die wissen wollen, wie ihr Geld eingesetzt wird. Aber die Gemeinden, die mit Compassion arbeiten, haben auch eine gewisse Freiheit, das Programm für ihre Gemeinschaft so anzupassen, wie es am besten ist.

Eine Kirche mag sich zum Beispiel verstärkt darauf konzentrieren, Jugendliche von kriminellen Banden fernzuhalten, während eine andere Kirche sich vermehrt um Malariaprophylaxe für jüngere Kinder kümmert.

Compassion und die Partnerkirchen bleiben also darüber im Gespräch, wie man der jeweiligen Gesellschaft am besten dienen kann.

Kinder befähigen, Gemeinschaften stärken

Wo immer wir arbeiten, ist es unser Ziel, Kinder, Familien und Gemeinschaften zu befähigen, selbsttragend zu werden. Das Land, wo Compassion 1952 gegründet wurde, braucht längst keine Unterstützung mehr. Tatsächlich ist es so, dass Menschen aus Südkorea unterdessen selber 117'000 Patenkinder unterstützen. Auch aus dem Norden Brasiliens hat sich Compassion zurückgezogen, weil die Unterstützung für die Kirchen nicht mehr nötig ist.

Selbständigkeit der Kinder erreichen wir, weil wir ihnen nicht nur eine Ausbildung ermöglichen, sondern ihnen auch helfen, Charakter und Lebensziele zu entwickeln und in der Gemeinschaft etwas beitragen zu wollen. Sie machen eine Berufsausbildung und lernen auch, wie man einen Job bekommt und behält. Wir entwickeln mit den Kindern einen Plan und Ziele für die Zukunft, an dem sie sich orientieren und auf die sie hinarbeiten können. Und wir helfen ihnen zu verstehen, dass es Hoffnung gibt – dass Gott sie geschaffen und einen guten Plan für ihr Leben hat.

Dr Wydick formuliert es in seiner Studie so: „Es scheint, dass eine Patenschaft wirklich unter die Haut der Kinder geht und Ambitionen, einen guten Charakter und geistliche Orientierung schafft. Kurz gesagt, trainiert es die Leute, Gebende und nicht Empfangende zu sein.“

Wir befähigen Kinder, geben ihnen die Fähigkeiten und Ressourcen, aus der Armut auszubrechen und Change-Maker in ihren Familien, Gemeinschaften, ja sogar ihren Ländern zu werden.

Entdecken Sie hier, wie Patenschaften funktionieren oder gehen Sie noch einen Schritt weiter und werden Sie Pate eines Kindes.